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Channel: Psychologie – Der Mensch – das faszinierende Wesen
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Psychisch kranke Gesellschaft

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Christian Kohlross

Christian Kohlross

Es ist kein Zeichen von Gesundheit,
an eine von Grund auf kranke Gesellschaft gut angepasst zu sein.

Jiddu Krishnamurti

Wie krank unsere Gesellschaft ist, das führt uns Christian Kohlross, Kulturwissenschaftler an der Universität Mannheim und systemischer Berater und Coach, anhand eines psychoanalytischen Ansatzes vor, ohne am Ende nicht einen Ausblick auf eine kollektive Heilung zu geben. Einige Zitate aus seinem im SWR2 gesendeten Vortrag, mit dem Vorspann des Moderators auf die Frage, was passieren würdem, wenn unsere Gesellschaft psychoanalytisch betrachtet würde:

… es kommt der kollektive Narzissmus zum Vorschein, die übertriebene Bedürftigkeit und uns Selbstbezüglichkeit eines jeden Einzelnen, als Voraussetzung unserer Kultur der Bereicherung. Als Narzisten wollen wir immer mehr, …, und das System, das uns dabei hilft, ist der nimmersatte Kapitalismus.

Gleich das Intro von Kohlross hat es in sich:

Persönlichkeiten, auch wenn sie manchmal den Eindruck erwecken, als seien sie unabänderlich, wie in Stein gemeißelt, sind nicht von Beginn eines Lebens an da. Sie entwickeln sich. Alles fängt damit an, dass Leben nicht etwa Leben, sondern ganz am Anfang ein mit Wünschen und Bedürfnissen ausgestattetes Leben ist. Als ein solches wird es in eine Welt hineingeboren, seine Wünsche und Bedürfnisse seiner Wirklichkeit, also den Wünschen und Bedürfnissen anderer Menschen anzupassen. Nicht aus freien Stücken, sondern aus der Hilflosigkeit und Verwundbarkeit des kleinen Kindes heraus. Ein solches Kleinkind kann nicht anders, es muss sich unterordnen. Es muss Kompromisse bilden aus Wunsch und Wirklichkeit, um zu überleben. Verweigert es diese Unterordnung, so droht aus der Sicht des Kindes zuletzt das Ausgestoßen-, also das Verlassen-werden, die für das emotionale und physische Überleben des Kindes schlimmst mögliche Konsequenz.

Daraus erklärt sich der eine Teil des emotionalen Terrors, die Kinder als Ur-Szene ihrer Persönlichkeitsbildung erleben. Den anderen Teil erklärt die Unbedingheit und Grenzenlosigkeit, man könnte auch sagen, die Reinheit des kindlichen Wunsches. Ein Säugling, das nach der Mutterbrust schreit, ein Dreijähriger, der einfach nur spielen möchte, kennt im Moment des Wunsches, nur diesen Wunsch. Er hat ihn nicht diesen Wunsch. Er ist dieser Wunsch. Diesen unbedingten, grenzenlosen Wunsch immer wieder den elterlichen Wünschen unterordnen zu müssen, erzeugt immer wieder nur ein Gefühl: Ärger. Aggression. Und weil auch dieses unbedingte, grenzenlose Gefühl nicht ausgelebt werden darf, muss er verborgen werden, nicht gezeigt werden. Andernfalls läuft das Kind Gefahr, ausgestoßen, verlassen zu werden.

So werden Persönlichkeiten herausgebildet, die unterschiedliche Strategien der Agressionsbewältigung entwickelt haben. Und so steht das Kind vor dem schier unmöglichen Problem, die eigenen Wünsche mit denen der Anderen in Einklang zu bringen. Politik nun versucht sich auch in der Kompromissbildung zwischen den Wünschen unterschiedlicher Gruppen, und kommt so selbst in die Aggression des Volks. Die Kontrolle dieser Aggression ist die vorrangige Aufgabe der Gesellschaft. Das probateste Mittel der Aggresionsbeherrschung ist die Verdrängung. Wenn der Einzelne oder gar Gruppen diese aggressiven Impulse gar nicht verspüren, muss die Gesellschaft diese auch nicht fürchten. So bilden sich Symptome aus, auf die zu reagieren immer mehr Kosten anfallen.

Spannende Überlegungen wie ich finde. Einfach Mal reinhören: Psychisch kranke Gesellschaft



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